Das Frauen-Nationalteam: Die stille Leaderin – Verena Hanshaw im Interview

Mit aktuell 104 Länderspielen zählt Verena Hanshaw seit diesem Spätsommer zu jenen sechs Nationalteamspielerinnen, die den Club der 100er erreicht haben. Die 29-jährige Wienerin reiht sich damit an die Seite von Rekordspielerin Sarah Puntigam (140), Carina Wenninger (127), Sarah Zadrazil (115), Nina Burger (109) und Laura Feiersinger (110). Für die aktuelle Ausgabe des ÖFB CORNER haben wir mit Verena über das Jahr 2023 gesprochen.  

Den großen Traum vom Profifußball hat die Verteidigerin dabei schon in jungen Jahren gelebt und forciert: „Für mich war ganz früh klar, dass ich ins Ausland gehen will und auch muss, wenn ich im Profifußball etwas erreichen will. Ich habe im LAZ lange Zeit bei den Burschen gespielt, davon habe ich sicher viel profitiert“, blickt Hanshaw, die ihre Jugend im Wiener Norden verbrachte, auf ihre Anfänge zurück. Nach nur einem Jahr im Erwachsenenfußball beim USC Landhaus wagte die damals 16-Jährige den Sprung nach Deutschland. Tanja Schulte, die heutige sportliche Leiterin des spusu SKN St. Pölten und damalige Trainerin des Herforder SV, scoutete die junge Verena Hanshaw damals bei einem Nachwuchs-Ländermatch und holte sie schließlich nach Nordrhein-Westfalen. „Wir sind heute noch gute Freunde und immer wieder im Austausch“, verrät Hanshaw.

Eine Entscheidung, auf die sie heute noch zufrieden zurückblickt: „Ob ich denselben frühen Weg ins Ausland heute wieder einschlagen würde, kann ich nicht sagen. Es ist immer ein großer Schritt für ein junges Mädchen, früh von daheim wegzugehen. Damals gemeinsam mit Laura (Feiersinger, Anm. d. Red.) diesen Schritt zu wagen, hat mir sehr geholfen. Ich habe es aber nie bereut. Einzig den Schulabbruch bedauere ich ein wenig, das würde ich heute anders machen“, so Hanshaw, die sich sicher ist, dass es für die heutige Generation junger Spielerinnen „einfacher ist, weil man heutzutage bessere Chancen hat, in einer Akademie auf hohem Niveau zu trainieren und sich zu entwickeln.“

Der vor vielen Jahren eingeschlagene Weg hat die Linksverteidigerin heuer erstmals mit ihrem Club Eintracht Frankfurt, wo sie seit 2018 unter Vertrag steht, in die UEFA Women´s Champions League-Gruppenphase geführt. „Den Traum von der großen Fußballbühne habe ich schon immer gelebt. Es bedeutet mir persönlich viel und macht mich stolz heute sagen zu können, dass ich die große Bühne Champions League erreicht und erlebt habe. Auch wenn es extrem anstrengend ist, hat sich all der Aufwand gelohnt“, schwärmt Hanshaw, deren Eintracht es im ersten Heimspiel direkt mit Titelverteidiger Barcelona zu tun bekam.

Persönliches Highlight 2023

Die Frage nach dem persönlichen Highlight in diesem Jahr stellt sich für die 104-fache Teamspielerin dennoch nicht. „Das Heimspiel gegen Frankreich im Viola Park war ganz eindeutig der Höhepunkt in diesem Jahr. Ich habe früher auf den Nebenplätzen der Generali Arena trainiert. Die Partie war für mich wie ein „Nachhausekommen“. Dazu der Zuschauerrekord mit über 10.000 Fans. Das war in allen Belangen besonders.“

Besonders ist auch gewiss jene Wertschätzung, welche die Wienerin im Kreis des Nationalteams genießt. Dort, wo sie trotz ihrer Erfahrungen und Erfolge nicht nach der großen Aufmerksamkeit giert, sondern für ihre empathische Art als ruhige Leaderin geschätzt und respektiert wird. „Für mich war das große Rampenlicht nie von Bedeutung. Mir ist wichtig, meinen Teil im Team beizutragen. Anerkennung und Wertschätzung sind schön und es gibt einem ein gutes Gefühl. Mir ist aber wichtiger, zu meinen Mitspielerinnen einen guten Draht zu haben. Ich denke, ich bin ein einfühlsamer Mensch und habe ein gutes Gespür dafür, wie es jemandem geht. Ich glaube, ich werde in Frankfurt nicht ohne Grund die „Mama“ genannt. Aber ich mag das und denke, diese Rolle braucht es in einem Team auch.“

Eine entscheidende Rolle hat Hanshaw mit dem Frauen-Nationalteam auch in der Gruppenphase der UEFA Women´s Nations League gespielt. Der neuerschaffene Wettbewerb kommt bei der Wahl-Frankfurterin gut an: „Ich finde das System und auch den Zeitpunkt genau richtig, weil der Frauenfußball riesige Schritte vorwärts macht. Jede Spielerin will Partien auf hohem Niveau gegen gute Gegner und vor großen Kulissen spielen, auch wenn es durch die Doppelbelastung von Club- und Nationalteamfußball immer intensiver wird. Auch für die Liga B und C ist es ein Mehrwert und Gewinn, weil es auch dort für mehr Spannung und Entwicklung sorgt.“

Ernst wird es für Hanshaw und die ÖFB-Elf erst wieder ab April 2024, wenn die European Qualifiers starten. Für Spielerinnen und Fans heißt das abermals Spiele gegen Top-Nationen wie England oder Deutschland. Wunschgegner gibt es für Verena Hanshaw dabei nicht: „Da habe ich keine Präferenzen, ich freue mich vielmehr auf alles, was kommt und lasse mich überraschen.“

Quelle: ÖFB-Media-Info
Beitragsbild: ÖFB/Paul Gruber

JOSEPHINE – Women’s Football Magazine

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