Das U19 Frauen-Nationalteam blickt auf eines der ereignisreichsten Jahre der jüngeren Geschichte zurück und hat dabei ein womöglich noch aufregenderes Jahr 2024 vor sich. Im Interview verrät Teamchef Hannes Spilka, welche Hürden auf dem Weg zum FIFA Women´s Under 20 World Cup 2024 in Kolumbien noch zu meistern sind und warum er seinen Geburtstag nicht zuhause feiern möchte.
Hannes, um den Jahreswechsel herum ist immer jene Zeit, in der man das Vergangene Revue passieren lässt. Bist Du jemand, der das auch so handhabt?
„Absolut. Auch ich habe in den vergangenen, etwas ruhigeren Tagen viel auf das Jahr 2023 zurückgeblickt, vor allem, weil das letzte große Ereignis – die erfolgreiche erste WM-Qualifikation – noch nicht lange her ist. Das wirkt noch immer nach, mit allen Emotionen, viele Freude und Stolz. 2023 war für das U19 Frauen-Nationalteam ein überragendes Jahr. Wir waren bei der Europameisterschaft in Belgien, haben dort Höhen und Tiefen erlebt und gleichzeitig vieles gelernt, was uns im Nachhinein geholfen hat und noch weiterhin helfen wird in unserer Weiterentwicklung 2024. Wir reflektieren immer Lehrgang für Lehrgang mit dem Betreuerteam. Das alles zusammenzufassen wird unsere Aufgabe in den kommenden Tagen sein. Wir müssen nichts Grundlegendes verändern, vielmehr geht es um Kleinigkeiten und darum, wie wir uns im Details verbessern können.“
Wird das Jahr 2024 mit der erstmaligen WM-Teilnahme auch für Dich persönlich das aufregendste Jahr als Teamchef beziehungswiese Trainer überhaupt?
„Ich denke, es wird eines der fordernsten Jahre werden, vor allem, wenn uns zusätzlich zur WM auch noch die erneute Qualifikation für die EM in Litauen im Juli gelingt. Zwei Großereignisse mit zwei teilweise verschiedenen Teams zu spielen, würde uns vor viele Aufgaben stellen, nicht nur im organisatorischen Bereich, sondern auch in puncto Vorbereitung und Belastungssteuerung. Das schöne ist aber, dass wir als Team und Betreuerteam extrem gefestigt sind. Es wird 2024 wichtig sein, mit den Ressourcen gut umzugehen, viele Aufgaben im Vorfeld bereits zu meistern. Ich bin überzeugt, dass es ein grandioses Jahr werden kann.“
Mit ein wenig Abstand zum vielumjubelnden 6:0-Kantersieg gegen Island und der damit erreichten WM-Qualifikation. Was bedeutet diese Teilnahme für den österreichischen Nachwuchs-Frauenfußball?
„Wir haben uns in den letzten zwei Jahren kontinuierlich gesteigert und uns mit der U19 klar unter den Top 8 in Europa platziert. Die bevorstehende WM ist für alle ein enormer Aufschwung, auch für den heimischen Ligabetrieb und die Clubs der ADMIRAL Frauen Bundesliga. Wir gehören in diesem Jahr zu den besten 24 Nationen weltweit. Das ist eine unglaubliche Leistung, wenn man bedenkt, dass wir als Land Österreich nicht so groß sind und noch nicht so viel Tradition im Frauenfußball haben wir andere Nationen. Es gilt weiterhin, die Spielerinnen nicht nur zu fördern, sondern auch zu fordern. Ich denke, wir können ein Vorreiter sein, wenn es darum geht, wie man gewisse Dinge und Aufgaben angeht und was möglich ist, wenn jeder bereit ist, an das Leistungslimit zu gehen. Die Spielerinnen kommen extrem gerne zum Nationalteam, auch das ist ein mitentscheidender Faktor für den Erfolg.“
Ein zentraler Leitsatz im vergangenen Jahr war das Motto „die Lust sich zu quälen“. Hat dieser Spruch auch heuer noch Relevanz?
„In gewisser Weise schon. Wir sehen tagtäglich nicht nur in den Nachwuchs-Nationalteams, sondern auch in der ÖFB Frauen-Akademie und bei den Clubs, wie fleißig und ambitioniert die Spielerinnen sind, auch weil sie sehen, was mit den gewissen „extra Metern“ möglich ist. Diese Einstellung, immer noch ein paar Prozent mehr herausholen zu wollen, haben wir im letzten Jahr perfektioniert.“
Die richtige Einstellung kann Euch auch im Spätsommer in Südamerika helfen. Viele Teilnehmer stehen allerdings erst Ende Mai fest. Habt Ihr dennoch schon Ziele für diese historisch erste WM-Endrunde definiert?
„Wenn man sich die letzten Weltmeisterschaften der U20 Frauen anschaut hat man gesehen, dass die europäischen Teams immer vorne dabei sind. Von den 24 teilnehmenden Nationen erreichen bei der Endrunde in Kolumbien heuer16 Teams das Achtelfinale, darunter somit auch die besten Gruppendritten. Die Gruppe zu überstehen, muss da – bei aller Bescheidenheit – unser Ziel sein. Wenn wir unsere gewohnte Leistung abrufen können bin ich überzeugt, dass auch ein Einzug in KO-Phase möglich ist. Eine exakte Zielsetzung ist aber erst möglich, wenn alle Spielorte, Teilnehmer und unsere Gruppengegner feststehen. So oder so haben wir jetzt ein Dreivierteljahr voller Vorfreude vor uns.“
Ist diese Sondersituation heuer mit einer möglichen Doppelbelastung durch die Spiele des aktuellen U19 Frauen-Nationalteams und dem alten und neuen U20 Frauen-Nationalteam auch ein wenig Fluch und Segen zugleich?
„Ganz sicher. Es wird nicht einfach werden, gerade auch was die Abstellungen der Spielerinnen von den Clubs angeht. Die ADMIRAL Frauen Bundesliga ist dann ebenso im Spielbetrieb, wie der Cup und die Champions League. Es wird gebündelte Kräfte aller Seiten verlangen, um diese Sondersituation für alle zufriedenstellend zu gestalten. Ich bin zuversichtlich, dass uns das gelingen wird.“
Wie sieht die Planung in das teilweise „Ungewisse“ im Detail aus?
„Natürlich wäre es optimaler, wenn gewisse Termine, Gegner und organisatorische Dinge für die teilnehmenden Nationen früher feststehen würden, aber zumindest wissen wir Mitte April, ob wir neben der WM in Kolumbien auch zur EM nach Litauen fahren. Das hilft in der Vorbereitung natürlich enorm. Wenn uns die erneute Qualifikation zur EM-Endrunde mit der U19 nicht gelingen sollten, planen wir für unser U20-Team vor der WM noch zwei Vorbereitungslehrgänge ein. Zudem sollten wir gut eine Woche vor Turnierstart nach Kolumbien reisen. All diese Dinge kalkulieren wir bereits mit ein.“
Das Ziel für die „neue U19“ bleibt demnach klar, sich trotz WM auch für die EM in Litauen zu qualifizieren?
„Definitiv. Es ist unser klares Ziel, diese EM-Endrunde zu erreichen. Natürlich werden und müssen wir im Vorfeld auf die Spielerinnen und ihre Belastungen achten und beide Großereignisse im Blick haben. Wenn wir es mit dem aktuellen U19-Jahrgang zur EM schaffen glaube ich, dass auch bei dieser Europameisterschaft etwas möglich ist und der Einzug in die KO-Phase gelingen kann. Das Team funktioniert genauso gut wie der Jahrgang der „alten“ U19. Sie verstehen es, die Qualität auf den Platz zu bringen und als geschlossenes und eingeschworenes Kollektiv aufzutreten. Dennoch wissen wir, dass das alles kein Selbstläufer werden wird. Wir tun gut daran, am Boden zu bleiben. Da bin ich gleichzeitig auch der erste, der eine Über-Euphorie bremst, wenngleich ich überzeugt bin, dass wir in unserer Qualifikationsrunde Favorit sind.“
Die WM-Teilnahme in diesem Jahr bedeutet auch, dass Du deinen 55. Geburtstag aller Voraussicht nach in Kolumbien feiern wirst!
„An das habe ich noch gar nicht gedacht. Je nach Turnierverlauf kann das natürlich sein. Dieses eine Mal habe ich aber nichts dagegen, wenn ich zu meinem Geburtstag nicht zuhause bin (lacht).“
Quelle: ÖFB-Media-Info
Beitragsbild: ÖFB/Tugrul Karacam